Am Montagabend wurde die TV-Verhandlung nach dem Theaterstück „Terror“ zum ersten Mal ausgestrahlt. Und da mit Erfolg. Fast sieben Millionen Zuschauer wurden mit der moralischen Frage konfrontiert. Was ist ein Leben wert?
Am Montag sorgte die Erstausstrahlung des Films „Terror – Ihr Urteil“ von Ferdinand von Schirach für Diskussionen. Der Film handelt von einer Gerichtsverhandlung, in der ein Luftwaffen Major wegen Mordes angeklagt ist. Doch eine Entscheidung über die Schuld des Angeklagten zu treffen ist nicht so leicht. In der fiktiven Geschichte wird ein Passagierflugzeug mit 164 Menschen an Bord von einem Terroristen entführt. Als das Flugzeug Kurs auf die 15 km entfernte Allianz-Arena in München nimmt, in der sich zu diesem Zeitpunkt 70.000 Menschen befinden, fällt der Major eine Entscheidung. Er widersetzt sich seinen Befehlen und schießt das Passagierflugzeug ab. Dadurch sterben alle 164 Insassen, doch die Menschen in der Fußballarena bleiben unversehrt. Die Zuschauer vor dem Fernseher waren in der Rolle der Schöffen vor Gericht und konnten am Ende des Films für schuldig oder nicht schuldig abstimmen. Mit einer überraschenden Mehrheit von 86,9 Prozent sprachen die Zuschauer den Angeklagten frei.
Hintergrund der moralischen Frage des Films ist ein Paragraph des Luftsicherheitsgesetztes, das im Januar 2005 erlassen wurde. Der Paragraph 14 Absatz 3 des Luftsicherheitsgesetzes besagte:
„Die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ist nur zulässig, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr ist.“
§ 14 (3) LuftSiG
Dieser Absatz wurde im Februar 2006 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, da er gegen Artikel 1 und Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetztes verstoße.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Art. 1 GG
„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“
Art. 2 (2) GG
Die große moralische Frage hinter all dem: Dürfen Menschenleben aufgewogen werden?
Oder um auf den Film zurück zu kommen: Sind 70.000 Leben mehr wert, als 164?
Bereits in der Vergangenheit gab es einige Gedankenexperimente bezüglich dieser Frage.
1951 formulierte Hans Wenzel das „Trolley-Problem“:
„Ein Güterzug droht wegen falscher Weichenstellung auf einen vollbesetzten stehenden Personenzug aufzufahren. Ein Weichensteller erkennt die Gefahr und leitet den Güterzug auf ein Nebengleis um, so dass dieser in eine Gruppe von Gleisarbeitern rast, die alle zu Tode kommen. Wie ist die Strafbarkeit des Weichenstellers zu beurteilen?“
Einige Jahre später entwickelte Judith Jarvis Thomson eine andere Variante, das „Fetter-Mann-Problem“:
„Eine Straßenbahn ist außer Kontrolle geraten und droht, fünf Personen zu überrollen. Durch Herabstoßen eines unbeteiligten fetten Mannes von einer Brücke vor die Straßenbahn kann diese zum Stehen gebracht werden. Darf (durch Stoßen des Mannes) der Tod einer Person herbeigeführt werden, um das Leben von fünf Personen zu retten?“
Wie würdet ihr entscheiden?
