Populismus, Hass und Ausgrenzung nehmen in Deutschland zu – Rassismus ist wieder salonfähig geworden. Das ist nicht mehr das Deutschland von Nathanael Meyer.
Ein Kommentar
Ich habe Angst, vor der Zukunft, vor der nächsten Wahl – vor all dem, was nun kommen mag. Ich habe keine Angst davor, keine Arbeit zu finden oder krank zu werden. Ich habe Angst davor, dass meine Herkunft mein Leben einschränkt. Ich habe Angst davor, in den Osten der Republik zu fahren – aber auch schon nur raus auf ein Dorf in der Nähe von Nürnberg.
Vor drei Jahren lebte ich in einem Deutschland, das stolz auf seine Vielfalt war. Stolz auf all seine Errungenschaften nach dem zweiten Weltkrieg. Man war wieder wer und auch ich sagte damals, die Geister der Vergangenheit sollten uns nicht weiter jagen, wir sollten nicht vergessen, aber eine Kollektivschuld lehnte ich entschieden ab. Ich fühlte mich ebenso deutsch, wie jeder, der – wie man es heute nennt – „Biodeutsch“ ist. Klar habe ich eine dunklere Haut, aber deutsch bin ich, da war ich mir so sicher. Keine drei Jahre hat es gedauert und ich bin mir nicht mehr sicher. Die schweigende Mehrheit bleibt stumm, Faschisten und Rassisten haben die Deutungshoheit gewonnen und die Politik kniet sich förmlich hin, um diese Wähler nicht zu verprellen. Die CSU ist in Teilen radikaler geworden, als die AfD. Forderungen der NPD sind salonfähig, wie ansonsten kann man sich erklären, dass die CDU diese fordert. Die SPD hält die Klappe, denn unter uns – die SPD ist nicht mehr die Partei vor 150 oder noch 60 Jahren. Ein Schatten ihrer selbst, auf dem verdienten Weg in die Bedeutungslosigkeit.
Aber eins eint alle Parteien, sie wollen die Sorgen und Ängste der besorgten Bürger ernst nehmen. Ich frage: Wer nimmt meine Ängste ernst? Wer nimmt die Ängste so vieler Deutscher mit Migrationshintergrund ernst?
Vor kurzem hatte ich ein Interview mit Nicolaus Fest, einem der Scharfmacher der AfD – ich wollte die Partei verstehen. Aus dem Interview ging ich mit flauem Magen, so viel geballten Hass zu hören, ist unerträglich. Es schien, als würden Migranten Deutschland zerstören und das willentlich. Eine graue Masse wird hochstilisiert zu Mördern und Vergewaltigern und unsere Medien machen mit. Unbewusst eventuell, aber dennoch tragen sie eine Mitschuld daran. Es klickt sich eben besser, wenn der Tatverdächte ein Afghane, Iraner oder Marokkaner ist. Ja, das gibt wohl jeder Migrant zu: Auch Migranten sind kriminell, aber krimineller als „Biodeutsche“?
Geht es nach der AfD, CSU, Teilen der CDU und Pegida, dann schon. Dann ist der Deutsche schon immer ein harmloses Opfer gewesen und Straftaten hätte der „Michel“ nie begangen. In dem Interview, das in den kommenden Tagen (mit einem Fakten-Check) hier veröffentlicht wird, stellte Herr Fest den Islam mit dem Nationalsozialismus gleich und forderte die strikte Bekämpfung dieser „totalitären Ideologie“. Ich bin nicht einmal Moslem, aber das ist so weit abseits allem Guten, dass ich nicht mehr sicher bin, ob das nicht schon Volksverhetzung ist.
Es gäbe nun zwei Optionen: Dagegen aufstehen oder versuchen zu zeigen, dass man dazugehört. Viele Deutschjuden haben sich in Zeiten des Nationalsozialismus auf Seiten der Deutschen gestellt, sie daran erinnert, dass sie in den Schützengräben des ersten Weltkrieges Seite an Seite für das Vaterland gestorben sind. Was mit Ihnen passierte, ist bekannt.
Das will ich nicht. Ich will die Schwarz-Rot-Goldene Trikolore voller Stolz tragen und daran erinnern, dass die Farben auf die Lützower Jäger zurückgehen, dass die Studentenrevolution diese Farben trug. Dass die Germania eine Frau ist, die für Freiheit und Frieden eintritt. Ich will, dass wir uns an Beethoven erinnern und an seine Ode an die Freude, dass alle Menschen Brüder werden. Ich will, dass wir unsere Hymne ernst nehmen – Einigkeit und Recht und Freiheit, sind des Glückes Unterpfand. Ich will mein Deutschland, mein schönes Deutschland zurück.
