Künstliches Leben: das war bisher reine Zukunftsmusik. Forscher an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sind dabei, neue Lebensformen zu erschaffen, die als Fabriken, Müllabfuhr und Umweltretter dienen sollen. Der Forschungsweg ist noch lang, allerdings hat die Arbeitsgruppe um Uwe Sonnewald schon wichtige Hürden genommen.
E. Coli sind Bakterien, die normalerweise im Darm tätig sind und die Verdauung unterstützen. Forscher der FAU Erlangen haben vor, diese Darmbakterien umzuprogrammieren und als Fabriken zu nutzen. Sie sollen, je nach Bedarf, medizinische Wirkstoffe, Treibstoffe, wichtige Chemikalien für industrielle Zwecke herstellen oder als Biosensoren arbeiten.
Genmanipulation im Labor
Um dies zu ermöglichen, muss die DNS der Mikroben vollständig analysiert und verstanden werden, welche Aufgaben die einzelnen Gene übernehmen. Mit diesem Wissen lassen sich Teile der DNS verändern und beeinflussen, was das Bakterium herstellen soll. „Das ist noch kein künstliches Leben. Es ist ein genveränderter Organismus. Doch da beginnt schon der fließende Übergang zum künstlichen Leben“, sagt Uwe Sonnewald.
Die Natur bietet viele Möglichkeiten das Genom zu verändern, jedoch keine maßgeschneiderten Genbausteine für die Herstellung von, beispielsweise, Menthol. Auf diesem Gebiet forscht die Arbeitsgruppe. Sie stellt im Labor künstliche Gene her die in der Lage sind, die Bakterien so umzuprogrammieren, dass sie diese Chemikalie herstellen. Das ist mit gängiger Genmanipulation nicht möglich. Als nächster Schritt wollen die Wissenschaftler eigene Mikroben herstellen.
„Es gibt unendlich viele Einsatzmöglichkeiten
Im Baukastenprinzip soll es in Zukunft möglich sein, künstliche, maßgeschneiderte Bakterien zu erschaffen. „Diese Bakterien wären zum Beispiel in der Lage, mit Chemikalien verunreinigte Erde oder Gewässer zu säubern oder als Biosensoren im menschlichen Körper, frühzeitig Krankheiten zu erkennen und anzuzeigen. Es gib nahezu unendlich viele Einsatzmöglichkeiten“, sagte Uwe Sonnewald bei seinem Vortrag im Schloss Erlangen.
Voraussetzung für diese Forschung ist das Verständnis davon, wie die Zellmembrane arbeitet. Es existiert jedoch kein Mikroskop das in der Lage wäre, hochauflösend bis in die atomare Ebene vorzudringen.
Die Bewegung von 174 000 Atomen
Ohne diese Möglichkeit, gab es bisher nur eine Alternative, nämlich zeitintensive empirische Forschung. „Experimentieren ist aber in vielen Fällen nicht immer möglich. Rechnergestützte Simulationen ermöglichen uns eine skalenübergreifende Darstellung und erlauben uns bis ins Innerste der Zelle zu blicken“, sagt Reiner Böckmann, Leiter der Abteilung für Computer Biologie an der FAU.
Solch komplexe Computersimulationen erfordern sehr viel Zeit und Rechenkapazität. Mithilfe von 300 Prozessoren des Hochschulrechenzentrums können die Forscher die Bewegung von 174 000 Atomen in einer Millionstel Sekunde voraussagen und so Stoffwechselvorgänge genau verfolgen.
Ein drittel der Gene sind noch unbekannt
Allerdings ist dafür eine Rechenzeit von circa zwei Monaten nötig. Doch die Wartezeit lohnt sich. „So bekommen wir Daten, die wir mit Experimenten nie so genau bekommen würden“, sagt Reiner Böckmman.
Uwe Sonnewald und seine Forschungsgruppe hoffen, mit diesen Werkzeugen die Stoffwechselprozesse der Zellen besser verstehen zu können, eine Voraussetzung die selbstgesteckten Ziele zu erreichen, vollständig im Labor kreierte Mikroben herstellen zu können. Allerdings ist nicht kurzfristig mit dem Anfang der Herstellung zu rechnen. „Es ist noch gar nichts fertig. Ungefähr ein Drittel der Gene sind noch komplett unbekannt. Es ist noch ein langer weg“, sagt Uwe Sonnewald.