Immer mehr Boden verliert der Islamische Staat. Die internationalen Luftschläge zeigen Wirkung und die Kurden erobern ihre Städte zurück. Auch die irakische Armee geht zum koordinierten Gegenangriff über. Dazu kommen nun noch interne Machtkämpfe.
Es kommt wie es kommen musste. Der Islamische Staat (IS) verfällt mehr und mehr von innen heraus. Immer wieder wird bekannt, dass sich einzelne IS Anhänger Schusswechsel liefern. Oft kämpfen dabei die aus dem Ausland Zugereisten gegen Einheimische. Die Terrortouristen entfachen Terror. Auch haben viele keine Lust mehr auf das ewige Kämpfen und den entbehrungsreichen Lebensstil. Besonders viele europäische Kämpfer wollen desertieren und zurück in die Heimat. Im Oktober sind deshalb mindestens 120 europäische Dschihadisten hingerichtet worden. Ihr Vergehen: Fahnenflucht. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) teilte vor kurzem mit, dass es jüngst zu einem Gefecht zwischen zehn ausländischen IS-Kämpfern und anderen IS-Milizen kam. Schauplatz war die Stadt al-Bab im Norden Syriens. Laut SOHR hätten die Ausländer offenbar versucht zu desertieren. Bei der Schießerei starben fünf der Flüchtigen und vier der noch loyalen IS-Kämpfer. Die übrigen Deserteure wurden wieder gefangengenommen. Nach IS-Gesetz erwartet sie nun auch der Tod.
Der Chef-Ideologie Abu-Bakr al-Baghdadi muss sich eine teilweise Niederlage zugestehen. Immer mehr besetztes Territorium verliert der IS an die internationale Allianz. Darunter auch zentrale Städte. Im Laufe des gestrigen Tages sind irakische Militärverbände in die strategisch wichtige Stadt Tikrit eingedrungen. Vor neun Monaten hatten der Islamische Staat die Stadt am Fluss Tigris eingenommen und seither gehalten. Die irakischen Soldaten haben im Laufe des Tages das Stadtviertel Kadissija teilweise erobert und dort rasch eine Versorgungslinie zur Verstärkung von Truppen geschaffen. Dies teilten irakische Sicherheitskräfte und der Gouverneur von Tikrit, Raed al-Dschuburi, mit.
In Syrien dagegen begann der IS, mit allen Mitteln, eine Gegenoffensive, so rückte die Terrormiliz, mit Panzern und schweren Waffen, gegen kurdische Kämpfer rund um Ra’s al-‚ain vor. Aufgrund der zahlenmäßigen und technologischen Überlegenheit, mussten sich die Kurden in nahegelegene Dörfer zurückziehen. Die Zahl der gefallenen, auf beiden Seiten, ist bisher noch unklar.
Doch dies kann genau so wenig über die inneren Probleme hinwegtäuschen, wie auch der Zusammenschluss mit der nigerianischen Terrortruppe Boko Haram. Nicht nur Deserteure und innere Kämpfe machen den Dschihadisten zu schaffen, auch werden sie immer öfter und gezielter von unbekannten Guerilla Kämpfer attackiert.
So wurde eine Patrouille der islamischen Milizionäre vor kurzem von einer unbekannten Gruppe, in der Stadt al-Myadin angegriffen. Dabei wurden zwölf Extremisten getötet. Eine weitere Gruppe attackierte Kalifat-Anhänger an einer Straßensperre in der selben Stadt. Die Anti-IS Gruppe Rakkas, „Raqqa is Being Slaughtered Silently“ gab bekannt, dass es allein in Rakka mehre Guerilla-Truppen gibt. Auch außerhalb der zentralen Metropolen wächst der Widerstand. In Deir al-Zor, einer Stadt im Osten Syriens, kämpft offenbar eine Gruppe namens „White Shroud“, übersetzt „Weißes Leichentuch“, gegen die Vorherrschaft der Islamisten. Lina Khatib, vom Carnegie Middle East Center in Beirut, Libanon, sagte der Washington Post: „ Die größte Herausforderung für den IS kommt nun eher von innen als von außen. Was wir sehen ist ein Scheitern des zentralen Grundsatzes der IS Ideologie, die Menschen unterschiedlicher Herkunft in einem Kalifat vereinen will. Das funktioniert in der Realität jedoch nicht. Stattdessen wirkt es sich negativ auf die Regierungseffektivität und militärische Operationen aus.“
Alle propagierten Fortschritte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der IS in seinem Kerngebiet schwere Verluste hinnehmen muss. Da spielt es keine Rolle mehr ob sich die ehemaligen Al-Quaida Kämpfer von Boko Haram nun dem Islamischen Staat anschlossen und libysche Taliban al-Baghdadi die Treue schwören. Das Ziel, ein islamisches Kalifat, zerbricht an der Realität. Desillusionierte Terrortouristen, Guerilla Kämpfer und koordinierte Angriffe auf IS-Stellungen, sind dabei nur die sichtbarsten Zeichen. Auch innerhalb der Bevölkerung macht sich Missmut breit, besonders seitdem das Geld immer knapper wird und die Versorgung problematisch.
Titelbild: Standbild – Propaganda Video IS
Bild zwei: Flickr. Iraqi Army – creative commons
