Markus Kaiser ist Geschäftsstellenleiter des Medien Campus Bayern, dazu unterrichtet er an mehreren Hochschulen journalistische Fächer. Während seiner Ausbildung hat er unter anderem bei der Deutschen Presse Agentur (dpa) und der Welt gearbeitet. In dem Interview verrät er uns seine Meinung zu der Medienwelt, gibt Tipps für junge Journalisten und mehr. Das Interview ist in Video und Text verfügbar.
Hallo Herr Kaiser, erzählen Sie doch kurz wie sie Geschäftsstellenleiter des Medien Campus Bayern geworden sind. Wie sind Sie dazu gekommen an der Technischen Hochschule Nürnberg, an der FH Ansbach und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg zu unterrichten?
Ich bin Geschäftsstellenleiter des Medien Campus geworden, vorwiegend deswegen da ich selber Journalist bin und bei der Nürnberg Zeitung viel über Wissenschafts- und Sportthemen berichtet habe und sehr viele Mitglieder des Medien Campus Bayern schon kannte. Vor allem Aus- und Fortbildungseinrichtungen. So zum Beispiel die Akademie der bayerischen Presse, bei der ich während meines Volontariats Kurse besucht hatte. Ich kannte die Hans-Seidel Stiftung von eigenen Seminaren, die ich mitgemacht habe und Mitgliedshochschulen, an denen ich schon Lehraufträge inne hatte. Die Technische Hochschule Nürnberg, die Hochschule in Ansbach und die FAU sind zum Beispiel auch Mitglied. Das war so der Weg dorthin, zum Medien Campus.
Herr Kaiser, wie sind Sie zum Journalismus gekommen? Wie sind sie Journalist geworden?
Das geht ganz lange zurück. Ich habe in der Schülerzeitung begonnen und damals schon das Fable für Journalismus entdeckt. Habe dann während der 12 und 13 Klasse am Gymnasium, dann fast schon mehr journalistisch gearbeitet, auch schon für die Nürnberger Zeitung, als überhaupt noch in die Schule zu gehen. Ich habe dann jeden Abend eine Biergarten Serie gemacht oder ähnliches. Sehr viel auch schon im Sportbereich. Es geht also relativ lange zurück und im Studium habe ich dann auch weiter journalistisch gearbeitet.
Ist Journalismus dann für Sie eher ein Beruf oder eine Berufung?
Ganz klar Berufung, mein Traumberuf. Ich könnte mir gar nichts anderes vorstellen.
Smartphones, Tablet-Journalismus, Mobile Reporting. Wie steht der Medien Campus zu den neuen Medien, zu Crossmedia und Multimedia?
Für den Medien Campus ist es sehr wichtig, diese neuen Formen frühzeitig aufzugreifen und zwar dann aufzugreifen, wenn diese Formen sich noch nicht im Markt etabliert haben. Wir haben deswegen auch eine Arbeitsgruppe Crossmedia Bayern gegründet, der unter anderem verschiedene Hochschulprofessoren angehören. Wir wollen immer einen ticken voraus sein und die Branche auch antreiben.
Wie sehen Sie die Zukunft des Journalismus, grade im Hinblick auf die Zeitungskrise?
Die Zukunft des Journalismus ist erstmals unabhängig vom Medium, auf dem etwas gespielt wird. Natürlich wird Print weiterhin an Auflage verlieren und Online wird wichtiger werden. Was aber absolut genial ist, sind so die neuen Reportageformate. Die multimedialen Formate, wie zum Beispiel Snow Fall von der New York Times, oder Firestorm vom Guardian, aber auch sehr viele grade neue entwickelte Dinge. Der Bayerische Rundfunk hat über das Quelle Areal in Nürnberg eine tolle multimediale Story gemacht, der WDR ist mit Pageflow (einem Open-Source Tool) da sehr weit voraus. Insofern bestehen für den Journalismus viele Chancen. Man muss keine Angst haben, dass er untergeht.
Heutzutage kann jeder Journalismus machen, jeder Blogger kann sich Journalist nennen. Wie weit sehen Sie darin die Gefahr einer möglichen Qualitätsverschlechterung? Wie sieht es mit der Selektion aus?
Selektion muss ein Leser, User oder Zuschauer für sich übernehmen. Er muss schauen, ob er einer Marke vertrauen kann. Womöglich ist der eine Blogger verlässlicher was Informationen betrifft, als ein Journalist in dem Fall. Die Frage ist ohnehin wie grenzt man Journalisten von Bloggern ab? Es kann durchaus jemand einen Blog betreiben und dabei nach journalistischen Kriterien vorgehen. Dann ist er für mich auch ein Journalist.
Was sind denn journalistische Kriterien im Onlinebereich?
Die gleichen wie im Print, also Fakten noch einmal gegen-checken. Also mindestens einen Faktencheck zu machen, dabei mindestens eine zweite Quelle haben. Ich muss die Gegenseite zu Wort kommen lassen, ich muss mich im Endeffekt an den Pressekodex halten. Es gilt all das, was im Print auch gilt. Wenn ich das beherzige, spielt es keine Rolle ob man auf einem WordPress-Blog oder unter Nordbayern.de, oder SZ.de veröffentlicht. Wenn ich das beherzige bin ich ein Journalist.
Wie würden Sie die Unterschiede, zwischen Print und Online konkret beschreiben?
Online Medien haben die Chance alle anderen Medien mit aufzugreifen, mit einzubauen. Ich habe natürlich die Möglichkeit Videos mit einzubetten, es muss dabei kein ganzer Fernsehbeitrag sein. Es reicht manchmal auch eine zehn Sekunden Sequenz von etwas, um das zu illustrieren. Ich hab die Möglichkeit Fotos einzubauen, interaktive Grafiken. Ich kann alle anderen Medien in ein Medium einbetten und das ist die große Chance. Immer die Stärken nutzen und nicht mediengebunden zu sein.
Im Fernsehen gibt es einen Zuschauerschwund, Radio ist ein Nebenmedium und die Auflagen der Zeitungen gehen drastisch zurück. Wie kann die Welt des Journalismus in 20 Jahren ausschauen?
20 Jahre ist natürlich ein langer Zeitraum. Ich erwarte, dass man schon die nächsten fünf Jahre ganz schwer im Detail vorhersehen kann. Ich glaube es wird alles sehr viel differenzierter werden. Es wird ganz neue Formen geben. Gerade Mulitmedia-Reportagen im Onlinebereich, die in diesem Jahr immer stärker kamen waren sicherlich nur ein Anfang. Auch News-Games und Co. , da wird noch viel entstehen an ganz neuen Formaten. Ich denke, dass sich jeweils der Markenkern gut platzieren wird. Im lokaljournalistischen Bereich werden natürlich die lokalen Inhalte gut gehen, egal in welcher Form man diese präsentiert. Bewegungen, Emotionen werden sich einfach in einem Video gut darstellen lassen, während eine Analyse eher in Textform gut funktionieren wird. Das wird alles kombiniert werden und natürlich wird es Unterschiede geben, ob man eine jüngere Zielgruppe hat oder eine ältere. Es ist klar, dass eine jüngere Zielgruppe Youtube-affiner ist, viel mehr Bewegtbilder schaut. Während eine ältere Zielgruppe viel mehr Texte und längere Texte liest.
Wie weit spielt dann Social-Media eine Rolle im Journalismus der Zukunft?
Eine ganz entscheidende Rolle werden Social-Media Kanäle spielen, denn es wird wichtig sein den Rückkanal zu haben. Mit dem User in Dialog zu treten, mit ihm Dinge zu diskutieren, um herauszufinden was interessiert ihn überhaupt, was bewegt ihn und seine Meinungen mit einzubauen. Es wird wichtig sein, um die Interessengebiete der User genau zu treffen. Natürlich spielt es auch für die Recherche eine ganz große Rolle. Ganz entscheidend wird es sein, um auf neue Themen zu stoßen und neue Meinungen einfließen zu lassen. Auch einfach um auszuprobieren, ob das Thema überhaupt interessant ist. Die Süddeutsche Zeitung macht inzwischen eine Umfrage, was sie online für ein Schwerpunktthema recherchieren sollen. Was interessiert den User? Europa der Zukunft oder ein Bahnthema oder ähnliches. Viel mehr den User einfach einbeziehen und fragen was man denn überhaupt berichten soll.
Sie sind selbst Journalist, wie sieht es denn mit Ihnen aus? Nutzen Sie selbst regelmäßig Facebook, Twitter oder ähnliches für die Recherche, und wenn ja wie?
Permanent. Ich bin im Endeffekt permanent online. Ich nutze Twitter sehr viel und Facebook. Ich bin auf Facebook mit den relevanten Personen aus dem Bereich über den ich berichte befreundet. Auf Twitter ist es so, dass ich genau diesem Personenkreis folge. Ich versuch immer einen Überblick darüber zu behalten, was passiert. So berichte ich zum Beispiel über Triathlon sehr viel, bin dort natürlich auch connected mit den ganzen Top Athleten. Das war vorher überhaupt nicht möglich, da die Athleten einmal im Jahr im Sommer nach Deutschland kommen. Sind dann bei den großen Rennen und durch die neuen Medien kann ich mitverfolgen, was sie in Hawaii treiben, im Oktober beim Iron Man oder bei anderen Rennen auf der ganzen Welt.
Wie sehen sie die Chancen von Lokaljournalismus im Bezug darauf, dass immer mehr Zeitungen vermehrt auf überregionalen Journalismus setzen und wie können neue Journalisten mit einem neuen Projekt in der Medienwelt Fuß fassen?
Es wird für beides großes Chancen geben. Ich sehe auch große Chancen im Bereich Hyperlokaljournalismus, also durchaus im Stadtteiljournalismus. Auch durch Datenjournalismus, da man mit all diesen Mitteln auch viel individuelleren Journalismus beitreiben kann. Gerade in einer Zeit der Globalisierung besinnt man sich zurück auf das Lokale, das Regionale, auf die Heimat. Insofern sehe ich da auch eine Chance im lokalen Journalismus. Auf der anderen Seite natürlich, wenn man eine ganz große Reichweite haben möchte, Durchbruch mit einem Projekt haben möchte, dann funktioniert das viel viel besser mit einem überregional zündenden Thema. Wichtig finde ich und dann hat man ganz große Chancen, sind Themen die vom Markt noch nicht besetzt sind, aber genau das Publikum treffen. Da gibt es einige tolle Beispiele, zum Beispiel LobbyPlag. Das ist eine Plattform die sich auch damit beschäftigt hat Lobbyismus in der EU aufzuzeigen. Also wo schreiben letztendlich EU-Abgeordnete und Bürokraten von Lobbyorganisationen ab, also man kann durchaus mit ganz neuen Ideen ansetzen, punkten und Projekte hochziehen. All das, was früher nicht ging, da einfach die Investitionen zu hoch waren und der Vorlauf viel zu lange gedauert hat. Hier steckt die Chance für Newcomer.
Gespannt bleiben, Teil II des Interviews mit Markus Kaiser folgt in einer Woche. Selber Tag, selbe Zeit, selbe Plattform. Im zweiten Teil geht das Interview mehr in Richtung alltägliche Arbeit als Journalist, die Unterschiede einer überregional Tageszeitung im Vergleich zu einer Lokalzeitung und Hindernisse und Hürden.