Reinhold Festge ist seit dem 18. Oktober 2013 Präsident des VDMA, des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Warum er den Wirtschaftskurs der Bundesregierung nicht gut heißen kann und warum er für TTIP ist, erfahrt ihr in dem Interview.
Wie sieht es aus mit dem Fachkräftemangel? Es wird viel über Fachkräftemangel geredet, dabei gibt es so viele Absolventen aus so vielen verschiedenen Bereichen.
Das hier ist ja ein gutes Beispiel, wie man den Fachkräftemangel verhindert. Indem man nämlich vornherein die Trends der Zeit erfasst, darauf reagiert und dass man für seine Ausbildung selber verantwortlich ist und sich ausbilden lässt und dafür arbeitet. Für mich ist das ohnehin ein Thema bei dem Fachkräftemangel: Jeder ist für sich, für seine Ausbildung selber verantwortlich. Wir müssen uns alle darum kümmern, dass wir hervorragend ausgebildet werden, denn nur dann hält der Beruf auch ein Leben lang und wenn man die Masse der Leute anschaut, die intelligent sind, die engagiert sind, die interessiert sind, dann gibt es in diesem Bereich kaum noch Fachkräftemangel. Da haben wir schon genug und tolle junge Leute, die das machen werden, was in der Vergangenheit durch mehr Leute gemacht worden ist.
Nun sind sie nicht besonders gut auf die Bundeskanzlerin zu sprechen, wie man hört und auch nicht besonders zufrieden mit dem Wirtschaftskurs der Politik. Besonders haben sie die Rücknahme der Rente mit 67 kritisiert…
Das ist richtig. Wir würden uns eine Wirtschaftspolitik wünschen, die deutlicher Zeichen setzt. Es hat keinen Zweck zu sagen, alles so wie bisher. Sondern die Wirtschaft und auch das Land braucht eine ordentliche Vorgabe und braucht auch gewisse Ziele. Diese Zielsetzung ist im Moment glaub ich ein bisschen vernachlässigt worden. Wir drehen im Gegenteil das, was wir erreicht hatten wieder um, so die Rente mit 63. Warum sind wir böse mit der Rente mit 63? Man hat uns von der Politik zunächst mal aufgefordert die Rente mit 67 in unseren Betrieben durchzusetzen. Das war nicht einfach, wie sie sich denken können. Das hat viel Reputation und vor allen Dingen auch Arbeit gekostet. Nur 6 Monate später sagt man im Koalitionsvertrag, was wir gestern gemacht haben, gilt heute nicht mehr. Wir machen nicht 67, sondern wir machen 63. Punkt eins. Punkt zwei ist, man kennt natürlich die Leute, und ich hab für jeden Verständnis, der 45 Jahre in Arbeit ist, dass er dann arbeitsmüde ist und seinen Ruhestand verdient hat. Das kann ich ja machen, wenn ich diese Art Verrentung in mein Rentensystem mit einkalkuliere. Aber wir haben ja für diese zusätzlichen Kosten überhaupt keine Rücklagen gebildet. Also was wir vermissen in der Wirtschaft, das ist, dass das solide finanziert ist. Wir wissen das ist finanziert für eine Legislaturperiode. Anschließend kann es nur über Steuererhöhung finanziert werden. Deswegen sind wir da sehr sehr kritisch und absolut nicht glücklich, dass das gekommen ist.
Gab es vielleicht irgendwelche Weihnachtsgeschenke von der Politik, so kurz nach Weihnachten, oder auch schon kurz vor Weihnachten?
Also ich kann im Moment bisher überhaupt keine Geschenke erkennen, sondern ich erkenne nur neue Auflagen. Wenn ich jetzt zum Beispiel den Mindestlohn als nächstes nehme. Ich komme aus einer Kleinstadt. Ich habe mit Schrecken gehört, dass jetzt selbst der Amateurfußballclub Mindestlohn zahlen muss für seine Spieler. Und dann hört bei mir das Verständnis für eine vernünftige, sachliche und auch gerechte Politik eigentlich auf. Das sind Belastungen mit denen wir fertig werden müssen in der Zukunft. Wir haben auf der wirtschaftspolitischen Schiene im Moment eigentlich nichts, wo wir sagen können, wir gehen gemeinsam da nach vorne. Sondern es wird immer mehr reglementiert. Es werden immer mehr Einschränkungen gemacht und es wird vieles zurückgedreht, was wir hatten. Und das befürchten wir und deswegen sind wir im Moment nicht glücklich mit der Kompetenz der Politik im Wirtschaftsressort.
Wenn sie sich eine Sache wünschen könnten, zum Geburtstag von der Bundeskanzlerin, was wäre das?
Ich würde der Bundeskanzlerin wünschen, dass sie deutlicher erkennt, dass alle Sozialpolitik nur finanziert werden kann, wenn man eine vernünftige, starke Industriepolitik gleichzeitig und mit Augenmaß macht. Und dass sie das mehr in den Blick nehmen würde, das würde ich ihr wünschen und mir auch.
Der Rubel fällt und fällt und fällt, dies hat Auswirkungen auf den Maschinenbau. Wie sieht es aus, wenn eine Maschine für 70.000 Rubel gekauft wurde und nun nichts mehr wert ist.
Wir sind im deutschen Mittelstand sehr vorsichtig mit dem was wir tun. Wir werden bei einer Situation, wie sie in den letzten Jahren war, keine Maschine in Rubel verkaufen. Wir werden die Maschine in Euro verkaufen. Das heißt, wenn wir sagen eine Maschine kostet 70.000 Euro, dann kostet sie auch weiterhin 70.000 Euro. Nur der Kunde muss sehr viel mehr Rubel dafür bezahlen und das ist die Problematik. Wir haben dazu eine Exportgenehmigungsproblematik und wir haben die Doppelproblematik, dass wir gleichzeitig die Entwertungsproblematik der Russe haben und dass wir die russische, aber auch unsere Industriewirtschaft sehr belasten.
Zum Schluss noch kurz zu TTIP. Sie befürworten TTIP, der VDMA befürwortet das Freihandelsabkommen, sowie fast die ganze Wirtschaft. Warum?
Weil wir unsere Arbeitsplätze erhalten wollen. Wenn wir TTIP nicht bekommen, dann kriegen wir noch mehr Konkurrenz aus anderen Ländern und dann werden wir in Deutschland nur noch zwei Möglichkeiten haben. Entweder unsere Firmen investieren mehr in den USA, um dort vernünftig arbeiten zu können, oder wir werden hier weniger Arbeit haben. Das ist ein ganz klarer Fall. Im Maschinenbau wissen wir, dass die Maschinen, die für den Export in die USA gedacht sind, von der Kostenseite 18 bis 20 Prozent teurer sind. Wir haben andere Auflagen und Schwierigkeiten, die ein Chinese, Japaner oder Koreaner nicht hat. Wir brauchen diese Gleichstellung und dafür sind die Freihandelsabkommen, damit wir von der Doppelbelastung weg kommen. In der Automobilindustrie und bei uns ist das ganz erheblich. Nehmen sie doch mal das Beispiel und importieren ein Auto aus den USA nach Deutschland. Dann müssen sie alle Scheiben in den Scheinwerfern ändern, nur weil die gleiche Nummer einmal US-Nummer und einmal EU-Nummer 68-15 heißt. Aber sie bezahlen dann 1200 Euro, nur um die Scheiben in den Brenngläsern ihres Scheinwerfers zu ändern. Das ist doch Unsinn. Wir müssen unsere Arbeit doch für positives einsetzen und nicht für Doppelarbeiten, weil der eine eine blaue Schnur haben will und der andere eine rote. Dieser Unsinn muss doch aufgehoben werden. Das ist das TTIP, welches wir meinen. Die TTIP Diskussion ist verfremdet worden, diese Chlorhühnchen-Geschichte war ein Unsinn und Schabernack, den man fast gar nicht mehr in Worte fassen kann. Da sind wir, glaube ich, auch zurecht empört, weil das permanent und ungefiltert weitergetragen wird und keiner sagt, dass die Hühnchen gar nicht zur Diskussion stehen. Es wird nicht über landwirtschaftliche Produkte diskutiert. Die werden ganz wo anders verhandelt. Es geht uns darum, dass wir Handelsbarrieren abbauen. Im Moment bauen wir Handelsbarrieren auf und das ist die falsche Richtung.
Titelbild: Norbert Weigand / Technische Hochschule Nürnberg
Weitere beteiligte Personen am Interview: – Moritz Freiberger (Schnitt & Kamera) & Ludwig Lehmann (Kamera, Ton & Lektorat)
