Alle vier Jahre ist es wieder so weit. Die Fußballenthusiasten aus aller Welt versammeln sich vor den Rundfunkgeräten und verfolgen das bunte Treiben. 32 Fußballmannschaften samt Fans aus aller Welt reisten in das Land des Zuckerhuts um den Kampf um den ersehnten Titel anzutreten. Doch bereits nach der Gruppenphase reisten überraschenderweise einige „Fußballweltmächte“ nach Hause, unter ihnen der ehemalige Weltmeister Spanien.
Leider hinterlassen vermehrte Schiedsrichterfehlentscheidungen einen bitteren Beigeschmack bei den Fans und Spielern. Ein „Wembley Tor“ wird dieser
Weltmeisterschaft und vermutlich auch bei den nächsten nicht mehr zu Stande kommen.
Denn nun wird den Unparteiischen das erste mal auf einer Internationalen Meisterschaft mit Kamera-basierten Hilfsmitteln unter die Arme gegriffen. „Hawk-Eye“ (engl. Falkenauge) ,welches in anderen Sportarten schon teilweise seit über zehn Jahren eingesetzt wird, erhielt nun endlich den Einzug in den Internationalen Fußball.
Im Jahr 1999 entwickelte ein Team um Dr. Paul Hawkins ein Kamerasystem, dass die präzise Ortung eines Balles auf dem Spielfeld erlaubte. Ab 2001 wurde das System im Cricket genutzt, gewann jedoch schnell an Zuspruch und verbreitete sich in weitere Sportarten wie Snooker und Tennis. Seit 2012 darf Hawk-Eye nun auch offiziell in der FIFA verwendet werden und hat mit der britischen „Premier League“ und der holländischen „Eredivisie“ zwei weitere repräsentative Anhänger gewonnen. Schiedsrichterfehlentscheidungen wie Tor oder nicht Tor, Aus oder nicht Aus könnten nun der Vergangenheit angehören.
Zwischen sechs bis acht (beim Tennis teilweise Zehn) Hochgeschwindigkeitskameras werden an spezifischen Punkten (in der Regel Sieben Kameras pro Tor) platziert und mit einem zentralen Rechner verbunden. Dieser berechnet aus der Bildersumme die Position des Balles und sendet bei einem Tor innerhalb einer Sekunde ein Signal auf die Armbanduhr des Schiedsrichters. Im Tennis und Cricket werden auf Grafiken sogar Flugbahn und Geschwindigkeit der Bälle angezeigt, im Snooker werden sämtliche Winkel und Entfernungen berechnet. Es wird den Zuschauern auch gezeigt, wo der Spieler die weise Kugel treffen muss, um einen erfolgreichen Zug zu absolvieren. Exakte Analysen der Ballbewegung sind ebenfalls kein Problem.Die Verbindung zum Rechner erfolgt durch Glasfaserkabel, da diese hingegen zur Funkübertragung eine deutlich größere Bandbreite und Übertragungsrate bieten.Um eine zuverlässige Auswertung der Spielsituationen zu gewährleisten, werden die Kameras zusätzlich auf das vorher vermessene Spielfeld und den Ball kalibriert. Ist das Setup vollzogen, arbeitet das System fortan komplett automatisch.
Von Vorteil ist auch, das Ball, Spielfeld und Tore nicht manipuliert beziehungsweise verändert werden müssen. Das System fungiert als „stiller Beobachter“. Aufgrund von unterschiedlichen Kameraperspektiven, die den Torraum überwachen, kann der Auftrittspunkt des Balls bis auf wenige Millimeter genau berechnet und dargestellt werden. Dabei spielen der Winkel des Balles, die Geschwindigkeit und die Bilder selbst eine Rolle.
Ist Torlinientechnik überhaupt nötig? Definitiv! Fehlentscheidungen könnten so auf ein Minimum reduziert werden.
Wie jede Technik ist auch diese nicht hundertprozentig zuverlässig. Eine Abweichung von bis zu 3,6 Millimetern ist besonders bei Spielen mit kleineren Bällen besonders dramatisch. Die FIFA hingegen setzt eine maximale Abweichung von 3 Zentimetern als Grenze. Auch die Zuverlässigkeit wird oft hinterfragt: Wenn beispielsweise ein Fußballer auf dem Ball liegt und mit ihm hinter die Torlinie rutscht, wird der Ball von den Kameras nicht erfasst. Hawk-Eye ist zudem kein alleiniger Herrscher auf dem Podest der Torlinientechnik. Die meisten Alternativen setzen jedoch einen Chip im Ball vorraus. Dies würde eine Änderung des Spielballs unweigerlich voraussetzten. Somit ist der einzige wirkliche Konkurrent zu Hawk-Eye das System „Goalref“.
So funktioniert Goalref
Hier wird ein Magnetfeld innerhalb des Tors „aufgebaut“, welches als eine Art dreidimensionale Lichtschranke fungiert. Nachteilig ist jedoch, dass nur Tor beziehungsweise. nicht-Tor erfasst wird.
Die UEFA hingegen hat sich komplett gegen computergestützte Torliniensysteme ausgesprochen. Der Vorschlag der UEFA war es, bei wichtigen Spielen einen so genannten „Torrichter“ dem Schiedsrichterteam an die Seite zu stellen.
Im DFB haben sich bei offiziellen Abstimmungen zudem 36 Vereine gegen die Nutzung solcher Vorrichtungen entschieden, eine Veränderung im deutschen Fußball ist vorerst also nicht zu erwarten.
Letztendlich muss entschieden werden, in wie weit Torliniensysteme benötigt werden, und in welchem Ausmaß man sich von ihnen abhängig machen möchte. Ein System alleine genügt nicht um absolut sicher zu funktionieren. Zudem ist der Preis einer solchen Anschaffung vor allem für die kleinen Vereine in der Regel kaum tragbar. Fußballfans kritisieren auch, dass Torlinientechnik dem Spiel einen großen Teil seiner Menschlichkeit rauben würde. Irren ist menschlich und das macht Sport so sympathisch. Denn am Ende könnte man komplett auf Schiedsrichter verzichten und per Videobeweis jede Spielsituation anzweifeln und überprüfen lassen.