Prof. Dr. Roland Sturm von der FAU Erlangen-Nürnberg und Prof. Dr. Uwe Mummert von der TH Nürnberg GSO erklären, warum die Briten ein Referendum zum Austritt aus der EU veranstalten. Die Gründe liegen nicht nur in einem anderen europäischen Verständnis, sondern auch im machtpolitischen Spiel innerhalb der regierenden Conservative Party.
Prof. Dr. Roland Sturm: „Die austreten wollen haben zwei Hauptgründe: Der eine Grund ist für die meisten Briten langweilig, nämlich die Parlamentssouveränität, also die Kontrolle über die eigenen Angelegenheiten zurück zu bekommen. Was alle aufregt und was das spannende Thema ist, ist eben sie Einwanderungsfrage und das mobilisiert auch eher.“
Prof. Dr. Uwe Mummert: „Die Tatsache, dass England Nettozahler ist. Das heißt also insgesamt zahlt England, oder das Vereinigte Königreich, mehr in den EU-Topf, als es herausbekommt.“
„Insgesamt muss man sich aber vergegenwärtigen, dass das vielleicht der Auslöser gewesen ist, oder diese verschiedenen Aspekte die Auslöser sind, aber nicht die wirkliche Ursache.“
„Wirtschaftliche Integration oder wirtschaftliche und politische Integration, darum geht es.“
Prof. Dr. Roland Sturm: „Emotionale Europäer waren die Briten nie. Sie sind in den 70er Jahren aus rein ökonomischen Gründen beigetreten und wollten daraus eine ökonomische Freihandelszone machen. Übrigens auch zum Beispiel durch die Erweiterung der EU durch die Türkei. Da hätte man einen weiteren Wirtschaftsraum gehabt. Jetzt plötzlich kommt das Argument Migration und Türken, also ganz widersprüchlich die Sache. Da sieht man, wie da taktisch gehandelt wird und einfach nur: Angstmache.“
„Da geht ein britischer Innenminister hin und öffnet eigenhändig Lastwagen, um zu gucken, ob da illegale Einwanderer drinnen sitzen. Hätten Sie vermutet, dass der de Maizière irgendwo sich auf die Suche nach illegalen Einwanderern begibt? Da sehen Sie einfach mal wie das im Land ankommt. Der macht das natürlich auch, weil er wiedergewählt werden will, weil das plausibel ist.“
Prof. Dr. Uwe Mummert: „Die Initiative von Cameron ist ganz klar politisch motiviert. Man muss sich das ja auf der Zunge zergehen lassen. Wir haben einen Premierminister, der Eurokritiker ist, der der Europäischen Union droht damit, dass das Land austreten wird, dass er ein Referendum veranstalten wird darüber. Er nutzt dieses als Hebel um dann zusätzliche Vergünstigungen für das Vereinigte Königreich zu erzielen und präsentiert sich jetzt als Verteidiger einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Das ist ja alles andere als glaubwürdig. Das Kalkül dahinter ist ja offenkundig. Die Gefahr ist nur, beziehungsweise das politische Spiel, das David Cameron hier betreibt, ist nur eben sehr gefährlich.“
Prof. Dr. Roland Sturm: „Das ist so offensichtlich, dass Boris Johnson nicht aus innerer Überzeugung gegen den Euro ist, oder gegen die EU ist sollt ich sagen, sondern der da ein taktisches Mittel sieht möglichst schnell Premier zu werden. Das ist eigentlich alles, was ihn umtreibt. Und das ist ziemlich leichtsinnig, finde ich, für einen führenden Politiker das ganze Land zur Geisel seiner Ambitionen zu machen. Aber so ist Boris Johnson. Das hat er bei Churchill gelernt, da hat er eine Biografie geschrieben. Churchill war auch etwas eigensinnig in vielen Bereichen. Ist ja alles der gleiche Verein. Die waren ja alle im gleichen Oxford-Club, Cameron, Osborne, der Finanzminister, Johnson und so weiter. Die kennen sich schon ewig. Johnson sieht das als Spiel vermutlich.“
