Die Welt titelt „Das kaputte Belgien ist Europas Terror-Brutstätte“. Zeit Online schreibt „Belgien: Molenbeek, wieder einmal.“ Doch was ist dran an dem „Problemviertel Molenbeek“?
Wie ist Brüssel aufgebaut?
Brüssel ist in 19 selbstständige Gemeinden gegliedert, die ein hohes Maß an politischer Eigenständigkeit bewahren. Daher hat jede Gemeinde einen eigenen Bürgermeister, was die Kommunikation und Einigungen in politischen Fragen erschwert. Auch in den Punkten Wohncharakter und Lebensqualität unterscheiden sich die Hauptstadtgemeinden teils sehr stark voneinander. So gelten südöstliche und östliche Gemeinden der Hauptstadt als bevorzugte Wohngegenden, während zentrumsnahe und Gemeinden im Westen einen heruntergekommenen Eindruck vermitteln. Dazu gehört auch die Gemeinde Molenbeek, die im Nordwesten der Stadt liegt.
Was ist an Molenbeek anders, als an anderen Gemeinden?
Die Bevölkerung von Molenbeek hat einen hohen Anteil an Einwanderern, von denen heute die meisten aus Marokko stammen. In den östlichen Stadtvierteln ist ein großer Teil der Bevölkerung muslimisch, während der westliche Teil dünner besiedelt ist und eine ländliche Prägung behalten hat. Durch das Schließen vieler Industriebetriebe leidet die Gemeinde an einer sehr hohen Arbeitslosigkeit von 31 Prozent.
Kommen wirklich so viele Terroristen aus Molenbeek?
In ganz Europa konvertieren junge Menschen zum Islam, radikalisieren sich und schließen sich dem IS in Syrien an. Etwa 730 Deutsche sind bisher nach Syrien gereist, davon sind bisher etwa 260 zurückgekehrt. In Belgien sind diese Zahlen wesentlich höher. Bei nur knapp 11 Millionen Einwohnern sind bereits 650 Belgier nach Syrien oder in den Irak gereist, davon sind etwa 100 wieder nach Belgien zurückgekehrt.
Paris, 13. November 2015
Bei insgesamt sechs Anschlägen in der Hauptstadt starben bisher 132 Menschen. In diesem Zusammenhang wurden in Brüssel mehrere Tatverdächtige festgenommen, darunter zwei Belgier und ein Franzose. Es wird insgesamt von neun Tätern ausgegangen, vier von ihnen haben die französische Staatsbürgerschaft, einer wurde in Brüssel geboren. Die Identität von vier weiteren Tätern ist noch unklar. Der Drahtzieher der Anschläge hat allerdings in Molenbeek gelebt.
Paris, 7. & 8. Januar 2015
Der Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo und die Geiselnahme in einem koscheren Supermarkt kostete 16 Menschen das Leben. Die Attentäter wurden alle in Frankreich geboren und besaßen einen französischen Pass.
Brüssel, 24. Mai 2014
Bei dem Anschlag auf ein jüdisches Museum in Belgien starben vier Menschen. Der Täter war ein gebürtiger Franzose, der kurz zuvor aus Syrien zurückkehrte, wohnte in dem Brüsseler Viertel.
Madrid, 11. März 2004
Bei den Zuganschlägen in der spanischen Hauptstadt verloren 191 Menschen ihr Leben. 21 Menschen wurden verurteilt, einige von ihnen lebten zuvor in der belgischen Hauptstadt.
Wie reagieren Molenbeek und Brüssel auf Schlagzeilen wie „Terror-Nest Molenbeek: Dieses Problem-Viertel wird zur Gefahr für ganz Europa“ (Focus Online)?
Die Bewohner der Gemeinde haben genug von Anfeindungen und dem schlechten Image ihres Viertels. „Wir wollen zeigen, dass das ein friedlicher Ort ist.“,sagt Gregory, ein Mitarbeiter des Vaartkapoen-Bürgerzentrums im Gespräch mit Spiegel Online. Daher wurde nun eine Friedensdemo geplant.
Für Mittwoch rief die Gemeinde auf ihrer Facebook-Seite zu einer Mahnwache auf der Place Communale auf. „In dieser dunklen Zeit ist es wichtig, dass wir ein klares Solidaritätssignal setzen. Am Mittwoch um 17 Uhr treffen wir uns auf der Place Communale von Molenbeek, um Hunderte Kerzen in Gedenken an die Opfer der Terrorakte oder politischer Gewalttaten, wie sie in Paris oder sonst überall auf der Welt geschehen sind, anzuzünden. Wir werden zeigen, dass wir eine herzliche Gemeinde sind und dass wir das Klima der Angst, das geschaffen wird, nicht zulassen.“, so wird auf der Facebook-Seite „I like Molenbeek“ für die Veranstaltung geworben.
Im Video: Brüssel: Problemviertel Molenbeek, ERKLÄRT
In Zukunft soll weiter gegen Terrorismus vorgegangen werden
Auch zukünftig plant die Gemeinde gegen Terrorismus vorzugehen. „Aber das war noch nicht alles. Dutzende der Molenbeek Jugend, Wohlfahrt und (sozio-)kulturellen Organisationen sowie aktive Bürger werden ihre Kräfte bündeln, um einen Aktionsplan zu formulieren, sodass wir das Vertrauen in unsere Stadt und unsere Jugend erhalten, um Probleme an der Basis nicht ‘auszurotten‘, sondern anzugehen“, so der Post auf Facebook weiter.
Ein weiteres Zeichen gegen den Terror geben die Einwohner durch die Aktion „Je suis 1080“. Molenbeek hat die Postleitzahl 1080. Es wurden Illustrationen verteilt, auf denen der Turm der Saint-Jean-Babtiste-Kirche, das Rathaus am Place Communale und einzelne Reihenhäuser zu sehen sind. Darunter steht „Molenbeek“, wobei das „o“ als Peace-Zeichen konzipiert wurde.
Der Bürgermeister spricht von einem europäischem Problem
Auch der Bürgermeister von Brüssel meldet sich zu Wort. Auf die Frage, ob der Terrorismus ein belgisches Problem sei, antwortet er: „Nein, es ist ein Problem, das auch Deutschland oder Frankreich betrifft, es ist ein europäisches Problem. Darum ist es auch eine starke Frage der Europäischen Reaktion, in Hinsicht auf Justiz und Sicherheit. Wir müssen nun innerhalb von Europa alle Maßnahmen ergreifen, die wir können, so dass uns diese Nacht nicht nochmal passiert.“

Ich habe da in Brüssel mal gearbeitet, Also: Es hilft nichts, es ist schon ein besonderes Problem in Molenbeek, auch wenn die Bewohner jetzt aufgewacht sind. Das Problem Molenbeeks hat auch viel mit dem ganz allgemeinen Versagen von Behörden in Belgien zu tun. Der belgische Föderalismus erlaubt es Schwierigkeiten durch die Gegend zu schieben statt sie zu lösen. Vor 10 Jahren wurden die Weichen gestellt, Schon damals war es ein Zentrum von Islamisten. Ganz anders strukturierte Leute als die Anhänger des Propheten in Deutschland, mit einer besonderen Infrastruktur und großer Präsenz im öffentlichen Raum. Als ich zuletzt mal wieder da war diese Jahr, da war es ganz deutlich spüren, dass ein neues Gewaltpotenzial da ist, das lag in der Luft.